Suffizienz statt Effizienz

Wie aus weniger am Ende mehr entstehen kann

Nicht Effizienz, sondern Suffizienz ist das neue Schlagwort der Nachhaltigkeit. Doch was bedeutet dies? Effizienz, insbesondere Energieeffizienz ist ein geläufiger Begriff am Bau, der höheren Ertrag bei gleichem Ressourcenverbrauch bedeutet. Suffizienz geht darüber hinaus, sie bedeutet Genügsamkeit. Höhere Wirkung bei weniger Verbrauch. Bei einer Lebensdauer von mind. 50 Jahren trägt jedes Neubauvorhaben zum CO2-Verbrauch bei, und nicht zu dessen eigentlich angestrebter Reduktion. Darum sollte man ganz zu Beginn der Planung den Bedarf und die Projektziele kritisch hinterfragen.

Betrachtet man die Entwicklungen am Wohnungsmarkt, lässt sich den Zahlen entnehmen, dass die Wohnfläche pro Kopf in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Und damit einhergehend der Ressourcenverbrauch, der für die Herstellung der Fläche sowie für deren Betrieb erforderlich ist. Da nutzt es auch nichts, dass der Raumwärmebedarf der Fläche durch Effizienzsteigerung sinkt. Unter dem Strich nimmt der Raumwärmebedarf pro Kopf nur unwesentlich ab.

Wenn keine Trendwende stattfindet, und sich die Menschen auf andere Wohnungs- und Arbeitsplatzkonzepte einlassen und mit weniger begnügen, werden wir die Verknappung der weltweiten Ressourcen nicht verhindern können. Entscheidend ist das Nutzerverhalten, das sich ändern muss.

Doch neue Trends brauchen neue Räume, und hier sind die Bauherren gefragt. In der Leistungsphase 0 erfolgt die Bedarfsplanung. Zu diesem Zeitpunkt sollte eruiert und kritisch hinterfragt werden, was die Art der Nutzung, die Anforderungen und der Flächenbedarf an den geplanten Neubau eigentlich sind. In der Praxis wird diese Phase jedoch gerne übersprungen. Aber gerade hier lassen sich die größten Einsparungen vornehmen und die Weichen für ein nachhaltig und langfristig erfolgreiches Projekt legen. Folgende Maxime sollten dabei im Fokus stehen:

    • weniger
    • gemeinsam
    • flexibel

Jeder Quadratmeter, der nicht gebaut wird, schon die Umwelt und die Ressourcen am meisten. Das heisst nicht, dass keine neuen Projekte entstehen können. Die Aufgabenstellung muss nur anders formuliert werden:

Können durch andere Prozesse und betriebliche Organisation Flächen eingespart werden? Braucht es große Lager und Archivflächen in teurer innerstädtischer Lage, oder können diese durch just-in-time Lieferungen gespart werden? Brauchen wir noch zahlreiche Konferenzräume, die den größten Teil des Tages leer stehen, oder können diese durch virtuelle Räume ersetzt werden?

Welche Funktionen sind im Privaten erforderlich, welche können gemeinschaftlich genutzt werden? Neue Wohnkonzepte wie z.B. das Clusterwohnen sind eine Möglichkeit, die privaten Flächen zu reduzieren bei gleichbleibendem Komfort durch großzügige und besser ausgelastete Gemeinschaftsflächen. Und auch am Arbeitsplatz benötigt – je nach Lage – nicht jede Firmenzentrale eine eigene Kantine oder ein eigenes Fitnessstudio. Wenn diese Funktionen durch das Angebot in der Umgebung gedeckt werden können, entsteht Bewegung, und dadurch soziale Mischung. Dies wiederum bringt neue Kontakte und neue Inspiration, zurück am Arbeitsplatz.

Wie können Flächen durch Mehrfachnutzung effizienter genutzt werden? Indem z.B. durch Nutzungsüberlagerung eine bessere Auslastung erzielt wird. Was sind die Bedingungen für eine flexible Umnutzung bei sich zukünftig ändernden Anforderungen? Soll der Bestand abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden oder kann der Bestand nicht „recycelt“ und mit wenigen Mitteln umgenutzt werden?

Die Kantine im Büro muss beispielsweise nicht nach dem Lunch bis zum nächsten Morgen leer stehen, sondern kann durchaus nachmittags und abends anderweitig genutzt werden. So geschehen in der Factory in Kreuzberg, einem Co-Working Space. Hier wird das bewegliche Mobiliar abends zur Seite gerollt, so dass Bootcamp- oder Yoga Kurse stattfinden können. Wo tagsüber die Kalorien zu sich genommen werden, werden diese abends wieder abtrainiert. Durch ein paar anfangs investierte Quadratmeter mehr für Umkleidebereiche und Lagerbereiche für das Mobiliar, lassen sich so langfristig Einnahmen über die Untervermietung generieren.

Auch für das Studio Heldergroen in Haarlem haben Zecc Architecten eine intelligente Lösung entwickelt, um die Bürofläche in eine multifunktionale Fläche zu verwandeln. Die Schreibtische sind an Seilen aufgehängt, an denen sie sich unter die Decke ziehen lassen. Das sonstige Mobiliar steht auf Rollen. So lässt sich die Fläche mit ein paar einfachen Handgriffen für Ausstellungen oder abendliche Sportkurse freiräumen. Und der Schreibtisch muss dafür nicht einmal aufgeräumt werden.

Durch ein paar schon in der Grundlagenermittlung zu definierende Parameter lässt sich so die Flächeninanspruchnahme reduzieren, bzw. die Ausnutzung und damit auch die Wirtschaftlichkeit eines Bauvorhabens deutlich verbessern. Die Vermischung von Nutzungen ermöglicht Begegnungen, wodurch wiederum soziale Nachhaltigkeit gefördert wird. Das bedeutet, dass Nutzungen mehrschichtig und vielfältig geplant werden sollten, denn Leerstand können wir uns in den verdichteten Städten der Zukunft nicht mehr leisten.

Bilder: Zecc Architecten, CornbreadWorks

 

Lebenszykluskosten

Nachhaltig Investieren durch eine ganzheitliche Betrachtung

Bei der Investitionsentscheidung für Gebäude spielen oft nur die reinen Herstellungskosten eine Rolle. Doch gerade für Bestandshalter von Immobilien ist diese Betrachtungsweise viel zu kurzsichtig, denn erst durch die Berechnung und Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes lassen sich nachhaltig wirtschaftliche Entscheidungen für oder gegen ein Projekt treffen.

Die Life Cycle Costs (LCC) setzen ich zusammen aus den Herstellungs-, den Betriebs- und oftmals auch den Rückbaukosten eines Gebäudes. Da letztere verhältnismäßig gering ausfallen, werden sie in manchen Berechnungsmethoden vernachlässigt. Die Betriebskosten beinhalten dabei nicht nur die Energiekosten eines Gebäudes, sondern auch die Wartungs- und Instandhaltungskosten, die Reinigungskosten und die Instandsetzungskosten.

Die ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) ist ein beispielhafter Bauherr, der durch die Eigennutzung des Immobilienportfolios großes Interesse daran hat, die eigenen Universitätsgebäude effizient zu nutzen und die laufenden Kosten gering zu halten. Da ein Großteil des Immobilienportfolios noch aus der Gründerzeit stammt, schlagen die Betriebskosten der Gebäude über ihre Laufzeit immens zu Buche. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise ist daher auch bei Neubauprojekten von vornherein wichtig.

So hat die ETH Zürich in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Christian Stoy von der Universität Stuttgart ein Tool entwickelt, mit welchem schon im Wettbewerbsverfahren die Lebenszykluskosten der eingereichten Wettbewerbsprojekte kalkuliert und verglichen werden können. Die ETH Zürich kann dabei auf eine große Datenbank aus Erfahrungswerten vieler Betriebsjahre und unterschiedlichster Gebäudetypologien zurückgreifen.

Nicht jeder Bauherr hat solch verlässliche Werte für die zur Berechnung der LCC erforderlichen Parameter vorliegen. So müssen oft recht vage Annahmen für diese Variablen getroffen werden mit der Folge, dass die Ergebnisse teilweise recht schwammig ausfallen. Doch je mehr Benchmark-Sammlungen gefüllt werden, desto präziser werden zukünftig auch die Ergebnisse dieser Berechnungen sein.

Im Rahmen von Gebäudezertifizierungen werden Lebenszykluskostenberechnungen durchgeführt, wie beispielsweise beim DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen). Neuere Versionen der Leed- und Breeam-Zertifizierung beziehen die LCC-Betrachtung ebenfalls mit in die Bewertung ein. Verschiedene Software Anbieter haben mittlerweile Programme entwickelt, um die Lebenszykluskosten bauteilgenau zu berechnen, z.B. LEGEP. Das Verfahren ist bekannt als Life Cycle Assessment (LCA).

So lässt sich über die Lebenszykluskosten die rein ökonomische Nachhaltigkeit von Gebäuden und seiner einzelnen Bauteile bewerten, nicht jedoch die ökologische oder soziokulturelle Nachhaltigkeit. Doch gerade die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von Investitionen ist für Käufer und Bestandshalter die Entscheidende. Daher ist die LCC-Betrachtung insbesondere den öffentlichen Institutionen, Flughäfen und weiteren Investoren, die ein großes Portfolio an Bestandgebäuden halten, nahezulegen.

Bild: Wettbewerbsergebnis HPQ, ETH Zürich, Ilg Santer Architekten